Geschichte der Sollingschachvereinigung

Ein wilder Verband

(von Bernd Zimmer, Holzminden)

Die nachfolgend geschilderte Geschichte der Solling-Schach-Vereinigung beruht auf Erzählungen von älteren Schachfreunden und auf den von mir gesammelten bzw. mir von älteren Schachfreunden übergebenen nicht vollständigen Unterlagen über die Entstehung und Entwicklung des Schachlebens im Sollingraum ab 1945, welcher sich über die Grenzregion Niedersachsen zu Nordrhein-Westfalen und Hessen erstreckt.
Sollten daher in Details Unrichtigkeiten enthalten sein, so bittet der Autor um Nachsicht und kundige Schachfreunde um Nachricht.




Die Titulierung dieses Artikels stammt aus der Schrift "Kleine Geschichte des Bezirks" von P. Werner aus dem Jahr 1978 und ist bezeichnend für das damalige Verhältnis des Bezirks- und Verbands-schach zu den Aktivitäten der Solling-Schach-Vereinigung (S-S-V).

Anlass für die Gründung der S-S-V 1960 war neben den von P. Werner geschilderten Differenzen zwischen dem Turnierleiter des Niedersächsischen Schach-Verbandes (NSV) W. Rößner, Lüneburg, und Bezirksturnierleiter Strauch, Göttingen, der Wunsch der kleineren Vereine bzw. Schachgruppen der Sollingregion nach einem intensiveren Spielbetrieb als ihn der Bezirk seinerzeit von Mai bis September anbot und der Möglichkeit auch mit Mannschaftsstärken unter 8 Spielern ohne weite Fahrten spielen zu können. Für die Spitzenspieler war es zu ihrer Entwicklung förderlich in frei vereinbarten Begegnungen auf Schachfreunde (Sf) spielstarker Vereine (Hameln, Paderborn, Dortmund) zu treffen.

Um diese Belange kümmerten sich die Sf O. Rothbart, Holzminden gegr. 1946, W. v. Gaza, Uslar gegr. 1959 und E. Neuhaus, Adelebsen, welcher Kontakt zum Raum Göttingen und damit zum Bezirksschach hatte. 1961 wurde der Mannschaftsspielbetrieb der S-S-V aufgenommen und jährlich einmal ein Blitzturnier gespielt. Seit 1964 spielten Sf aus folgenden Städten und größeren Gemeinden mit: Adelebsen, Eschershausen, Höxter, Holzminden, Karlshafen und Uslar.

Es entstand 1967/68 seitens der besonders aktiven Sf der Wunsch, am Mannschaftsspielbetrieb des Bezirks mit zwei 8-er Mannschaften teilzunehmen. Es war zu diesem Zeitpunkt keinem der eben genannten Vereine möglich eine komplette Mannschaft mit Ersatzspielern zu nominieren, die zudem die Aussicht hatte den Aufstieg in die 2. unterste Klasse des Bezirks zu erspielen. Letzteres ein wohl verständlicher Wunsch, denn gab es doch nur 3 spielstarke Sf zu nennen mit E. Ziems, Uslar, einen Teilnehmer der bundesdeutschen Fernschacheinzelmeisterschaft 1954, mit W. Oswald, Holzminden, Mitglied der international erfolgreichen 1. Mannschaft der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn oder mit D. Holzapfel, Holzminden, einen früh landesweit bekannten spielstarken Schüler.

O. Rothbart gründete zu diesem Zwecke 1968 den SK Neuhaus. Der frühere Bezirksturnierleiter E. v. Wolf wurde Mannschaftsführer. Als Jurist in Kenntnis unklarer Bestimmungen auf Bezirksebene stellte in der Saison 1969/70 starke Spieler als gemeinsamen Ersatz für die mit zweimal acht Mannschaften in Nord- und Südstaffel spielende Kreisklasse auf. Diese sportlich nicht fairen Grundsätzen entsprechende Art und Weise führte dazu, dass eine der beiden Neuhausmannschaften Staffelsieger wurde.

Auf Bezirksebene wurde wohl auch auf Hinweis eines hierdurch um den Aufstieg "geprellten" Vereins ein Ausschuss bestehend aus Bezirksspielleiter H. Ciernioch, P. Werner und K. Pape gebildet, der rückwirkend eine Bezirksturnierordnung in Kraft setzte und SK Neuhaus I der Aufstieg in die Bezirksklasse aberkannte. Diese Entscheidung löste nicht geringe Verärgerung der vermeintlich erfolgreichen Spieler des SK Neuhaus aus bis hin zur fast einstimmigen Austrittserklärung aller Spieler beider Neuhausmannschaften.

In diese Auseinandersetzung wurde auch NSV-Turnierleiter W. Rößner eingeschaltet, der die Entscheidung des Bezirksvorstandes unterstützte und in wenig diplomatischer Weise sogar drohte, den Sf des SK Neuhaus das organisierte Spielen in welchem Bezirk des Deutschen Schachbundes (DSB) auch immer unmöglich zu machen. Niemand geringerem als R. Hübner wurde 1969 vom DSB-Präsident L. Schneider, München, wurde nach einer Simultanvorstellung in einem Ort des Bayrischen Waldes mit Ausschluss aus dem DSB gedroht, da er beim "Spalterverband" gespielt habe. (Quelle: Schachkalender 2014)

Zurück in unsere Region! O. Rothbart führte als verantwortlicher und weiter blickender Sf den Wie-deraustritt der Sf des SK Neuhaus nicht aus und schon ein Jahr später erreichte der SK Neuhaus ohne E. v. Wolf's Mitwirkung den sportlichen von keinem beanstandeten Aufstieg der 1. Mannschaft in die Bezirksklasse und zwei Jahre später auch in die damalige höchste Klasse des Bezirks die Bezirksmeisterklasse sowie später auch in die unterste Verbandsklasse. Der SK Neuhaus spielte dann mit drei Mannschaften auf Bezirks- bzw. Verbandsebene.

Die Mitgliedsvereine der S-S-V, welche spielstärker und zahlreicher (1969 Plesse Bovenden, 1973 SC Northeim, 1975 Turm Beverungen) wurden, entwickelten ein größeres Selbstbewusstsein und begannen, ohne die S-S-V zu verlassen, sich vom SK Neuhaus zu lösen und unter eigenem Namen im Bezirksmannschaftsschach mitzuspielen. Diese Aufbaufunktion wurde später vom Bezirk dankbar anerkannt (P. Werner 1997).

Nachdem 1981 der SK Neuhaus in Holzmindener Schachgesellschaft umbenannt wurde, da nur noch Holzmindener Sf nominiert waren, wurde O. Rothbart ob seiner ausgleichenden, repräsentativen Art als nimmermüder Organisator z.B. Deutsche Länderjugendmannschaftsmeisterschaft 1976 in Holzminden mit 12 Achtermannschaften (Sieger NRW I) kurz vor seinem 70. Geburtstag in das Bezirksschiedsgericht gewählt und 1986 für 40-jährige Mitgliedschaft im NSV geehrt.

Aus der Tatsache, dass sowohl kleinere Vereine in größeren Nachbarvereinen aufgingen, z.B. Eschershausen und später Polle in Holzminden, Adelebsen in Uslar sowie Karlshafen in Beverungen oder neu zur S-S-V stießen wie Einbeck, Bad Gandersheim, beide Northeimer Vereine, Parensen, Brakel und ESV Göttingen unsere Gemeinschaft z.T. auch wieder verließen, lässt sich die Entwicklung erkennen, die das Schach in unserer ländlich geprägten Region im Laufe der Jahrzehnte nahm.

Viel Bedeutung hat(te) die Frage wie viele Sf in den Vereinen sich aktiv in die Organisationsarbeit, besonders die Arbeit mit neuen Sf einbrachten. Die S-S-V hat ihren internen jährlichen Spielbetrieb der Nachfrage entsprechend angepasst und spielt nach wie vor auch bezirksgrenzüberschreitend seit bald 60 Jahren.